Geschichte der Bolter Mühle und der Bolter Schleuse
 
Zur Geschichte der Bolter Mühle
Von Jürgen Kniesz 17192 Waren (Müritz)

Die Mühle läßt sich seit dem 17. Jahrhundert nachweisen. Sie war zeit ihres Bestehens Anlaß vieler Verhandlungen und Beschwerden. In den ersten 1 1/4 Jahrhunderten war sie angefochten, da sie zu wenig Wasser, später weil sie zuviel Wasser verbrauchte. Die Beschwerden der mecklenburgischen Regierung richteten sich gegen den hohen Verbrauch wegen der Absenkung des Müritzspiegels, der zu Wassermangel in den domanialen Eldemühlen unterhalb Plaus führte.

Im 18. Jahrhundert wurde die Bolter Mühle 1718 in dem Verzeichnis sämtlicher Warener Müller und Landmüller in drei Meilen Entfernung von der Stadt genannt. Der Wassermühlenstandort nordöstlich von Klopzow, südlich der Böcker Mühle, ist auch auf der Schmettauschen Karte (um 1780 aufgenommen) verzeichnet.

Von größerem Interesse wurde die Mühle Ende des 18. Jahrhunderts, als man seitens der Länder Preußen, Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz sowohl die Verbesserung der Elde- wie der Havelschiffahrt ins Auge faßte. Zum einen sollte die Schifffahrt selbst über Bolter Mühle von der Müritz zur Havel erfolgen, zum anderen war der Abfluß des Müritzwassers für die Erhöhung des Havelwasserstandes unerläßlich. Eine Konvention zwischen Mecklenburg-Schwerin und Preußen vom 23.4.1789, der am 23.4.1799 eine Vereinbarung mit Mecklenburg-Strelitz über den Beitritt zu dieser Konvention folgte, ging davon aus, daß eine Wasserentnahme aus der Müritz sowohl der Havel- wie der Eldeschiffahrt dienlich sei. Die Wasserentnahme an der Bolter Mühle wurde mit 0,93 cbm/sec., in Boek mit 0,76 cbm/sec festgesetzt und das Recht Preußens auf diese Wassermengen vertraglich vereinbart. Mit diesem Bedeutungszuwachs der Mühle als Objekt politischer Vereinbarungen begann gleichzeitig der Niedergang ihrer eigentlichen Funktion.

Nachdem die Boeker Mühle um 1825 einging und damit auch die Wasserzuführung zur Havel über Boek versiegte, verblieb an der Bolter Schleuse und Mühle die einzige Möglichkeit zur Einspeisung von Müritzwasser ins Havelgebiet.

Eifersüchtig wachten jetzt sowohl die mecklenburg-schwerinschen wie preußischen Behörden über jeden Tropfen Wasser, der hier der Elde oder Havel verlorenging. Als 1851 ein Neubau der Mühlenanlage vorgesehen war, richtete das Mecklenburg-Schweriner Ministerium des Innern ein Schreiben an seinen Wege- und Wasserbaumeister Weir in Schwerin mit dem Auftrag, den Neubau der Bolter Mühle (zum Gut Retzow gehörig) unter Zuhilfenahme der im Depot der Elde-Actien-Societät befindlichen diesbezüglichen Pläne an Ort und Stelle zu untersuchen. Die Stellungnahme sollte den gegenwärtigen Zustand der Wasserwerke feststellen und prüfen, ob durch die von der Gutsherrschaft Retzow vorgenommenen Neuerungen nachteilige Folgen für Meckl .-Schwerin entstehen. Diese könnten durch eine Absenkung des Müritz-Wasserspiegels, verringerten Abfluß zur Elde und Wassermangel für die Mühlen an und die Schiffahrt auf der Elde eintreten.

Als Sachverständige kann Weir den Wasserbaumeister Garthe in Parchim und den Landbaumeister Voß in Plau heranziehen.
In einem Gutachten vom 5.7.1851 warf der Großherzogliche Flußbau-Commissarius Kammerrat Brandes die Frage auf, welchen Einfluß die Müritz-Abflüsse bei der Bolter Mühle und Boek auf die Havel- und Eldeschiffahrt haben und welche Folgen von einer weiteren Müritzabsenkung durch die Bolter Mühle zu erwarten sind. Er forderte, keine Veränderungen an der Schleuse und den Wasserbauwerken durch den Neubau der Bolter Mühle vorzunehmen. Im Gegensatz zu der Annahme in der Konvention von 1798 hatte sich herausgestellt, daß sich die Wasserentnahme für die Havel negativ auf die Eldeschiffahrt auswirkt. Er verlangte die Untersuchung der Veränderungen an der Bolter Mühle und in Boek seit 1798, der Folgen für die Plauer Mühle und des Einflusses auf die Eldeschiffahrt.

Auch der Geheime Amtsrat Drechsler zu Lübz und der Landbaumeister Voß zu Plau forderten in ihrem Bericht am 2.10.1851 die Erhaltung des gegenwärtigen Zustandes: Der für die Schiffahrt gezogene Kanal führt das Wasser der Mühlenarche in einem Kanal über kurze Entfernung zu. Seit der letzten Müritzabsenkung und auch beim gegenwärtigen Bau der Mühlwerke wurde die Arche nicht verbreitert, auch die Lage des Fachbaumes nicht verändert. Bei der Schiffbarmachung der Elde wurde in dem Fluß am Kanal zur Mühle ein Wehr eingerichtet, welches samt der Spundwand jedoch jetzt entfernt wurde. Es sollte die Mühle gegen zu starken Wasserandrang schützen, zugleich aber das für die Schiffahrt erforderliche und für die Plauer Mühle notwendige Wasser sichern. Es wird gefordert, das früher auf Kosten der Flußbaukasse eingerichtete Wehr wieder zu bauen und einen zu starken Abfluß bei der Bolter Mühle zu verhindern. Der Plauer Schleuse folgten bis Lübz die Kuppentiner und die Bobziner Schleuse. Der hohe Wasserbedarf resultierte vor allem aus dem hohen Bedarf an Nachschußwasser für die Flößerei.

Ein abschließender Bericht Weirs zu dem Neubau der Bolter Mühle 1851 liegt dem Aktenbestand im Schweriner Archiv nicht bei. Aus den Stellungnahmen und vor allem der in späteren Vorgängen dargestellten Situation ist aber zu entnehmen, daß damals keine Veränderungen im Abflußverhalten vorgenommen wurden.

Die Bestimmungen von 1798 wurden am 9.2.1887 durch einen Staatsvertrag mit Preußen ersetzt. Danach soll nur noch der Abfluß von 0,93 cbm/sec an der Bolter Mühle aus der Müritz entnommen werden.

In den Jahren 1890/1891 kam es zu einem umfassenden Neubau der Bolter Mühle. Von seiten der mecklenburgischen Flußbaukommission wurde dazu festgelegt, daß die Mühle auch nach der Erneuerung nicht mehr als höchstens 1 cbm/sec. Müritzwasser (einschließlich Frei- und Durchsickerungswasser) entnehmen darf. Da der Besitzer, Freiherr von Hammerstein-Retzow, dem großherzoglichen Schleusenwärter das Betreten seiner Mühle zu Kontrollzwecken untersagte, wurde festgelegt, daß die Stellvorrichtungen der Turbine so einzurichten sind, daß die durchfließende Wassermenge an derselben stets direkt abgelesen werden kann. Die Schützen des Sägemühlenrades und des Freigerinnes sind so mit dauernd zu unterhaltenden Meßlatten zu versehen, daß an diesen die Schützenanfangshöhe auch direkt abzulesen ist. Die Bolter Mühle besaß demzufolge 3 Gerinne: Säge-, Mühl- und Freigerinne, die zusammen eine wesentlich größere Wassermenge als die gestattete abführen könnten. Zur Mahlmühle gehörte der Aalfang. Der Mühlbach zweigte oberhalb der Schleuse ab und mündete unterhalb wieder in den Kanal. Die Wasserkraft genügte bei dem Durchfluß von 1 cbm/sec. zur Gewinnung von 25-30 PS.

Bis 1910 war die Mühle zeitverpachtet und stand seitdem still, da kein Pächter zu finden war. Ein Grund war die abgelegene Verkehrslage, weit entfernt einer Chaussee und ohne Eisenbahnanschluß. Nach Aussage des Schleusenmeisters Tiedt war die Mühle bis 1.7.1910 in Betrieb. Der bisherige Mühlenpächter Stangenberg ist im Herbst 1911 von Bolter Mühle nach Kiel verzogen.

Durch einen Erbpachtvertrag vom 9.6.1911 erwarb der Gutspächter otto Strümpfler, Klopzow, die auf der Klopzower Feldmark liegende Bolter Mühle von Freiherrn von Hammerstein-Retzow. Der Erbpachtvertrag ga1t von Johanni s 1911 an und betraf die auf der Hufe befindliche Korn-, Schrot- und Schneidemühle mit den dazugehörenden Wohn- und Wirtschaftsgebäuden". Schon am 17.6.1911 erklärt sich Strümpfler durch notarielle Verhandlung bereit, alle Rechte und Pflichten, die er durch seinen Erbpachtvertrag erworben hatte, an die Firma "Berlin-Mecklenburgische Dampfschiffahrt Zeitz und Weidemann" (Eigentümer sind Kaufmann Heinrich Zeitz, Berlin, und Kaufmann Weidemann, Fürstenberg) abzutreten. Sollte der Verkauf an dieses Firma (Strohmänner der preußischen Regierung) nicht zustande kommen, will Strümpfler die Mühle an den preußischen Fiskus verkaufen und nur das Gut allein weiterbewirtschaften. Wenn Strümpfler im Interesse Mecklenburgs von diesen Verträgen zurücktritt, erwartet er den Ankauf der Mühle durch die Schweriner Regierung bzw. die Flußbaukommission.

Nach umfangreichen Verhandlungen, aus denen sichtbar wird, daß es der Schweriner Regierung nur um die Verhinderung eines Ankaufs der Mühle und der damit verbundenen Wasserrechte durch Preußen ging, wurde das "Allerhöchste Großherzogliche Mecklenburg-Schwerinsche Reskript vom 21.11.1913 betr. Ankauf der Bolter Mühle" vom Landtag Ende 1913 genehmigt und dem Ankauf der "Bolter Mühle, deren Gebäude zur Zeit schon ein recht wüstes und baufälliges Aussehen haben", zugestimmt. Die Kaufsumme betrug 42000 Mark, wovon 38000 M (davon 20000 M zur Ablösung von Hypotheken und Belastungen) an Strümpfler und 4000 M an von Hammerstein gingen. Die Gelder wurden 1914 ausgezahlt. Die endgültige Vermessung und Grundbucheintragung zog sich bis 1928 hin. Nachdem sich die Großherzogliche Flußbaukommission vertragsgemäß 1914 in den Besitz der Bolter Mühle gesetzt hatte, wurden die alten Mühlenwerke und Maschinen herausgenommen und die Turbinenläufe geschlossen, um Probeversuche über die von Preußen gewünschten Wasseraufstauungen mitte1st der nur noch verbliebenen Schützen des Freilaufs erstellen zu können.

Die vorhanden Maschinen und Ausrüstungen hatten nach Angabe der Flußbaukommission wegen ihres Alters und der langen Lauf- und Stillstandszeit nur noch Schrottwert. Sie wurden an den Neustrelitzer Fabrikbesitzer B. Bentzin verkauft, der am 23.3.1914 folgendes Angebot machte: "Auf Grund der mir übermittelten Bedingungen für den Verkauf der alten Triebwerksanlagen und Maschinen der Mehl- und Schneidemühle der Bolter Mühle bin ich bereit, für die sämtlichen Teile mit Ausschluß der Turbine und der von der Turbine zur Antriebswelle und der Hauptschützenteile zur Turbine einen Gesamtpreis von Mark 850,00 zu zahlen, wenn die Großherzogliche Flußbau-Inspektion mir für den Transport der Gegenstände 1-2 Transportkähne kostenlos, außerdem gegen Zahlung der Löhne mit einem geringen Aufschlag meinerseits mir 4 Mann aus der bei der Großh. Flußbau-Inspektion beschäftigten Arbeiterkolonne für den Abbruch und die Verladung zur Verfügung stellt." Dem Antrag wurde zugestimmt. 1919 pachtete die Gutsherrschaft Retzow von den der Flußbauverwaltung gehörenden Grundstücken den Garten mit dem Mühlengebäude in den Grenzen, wie sie die Flußbauverwaltung besitzt, auf drei Jahre. 1922 wurde der Vertrag von 1919 um 10 Jahre verlängert. 1928 wird der dem Land Mecklenburg durch Vertrag vom 14.1.1914 verkaufte Teil des Mühlengebäudes abgerissen.

1936 ist die Bolter Mühle (als Grundstück) und der Kanal noch auf der Kreiskarte Waren verzeichnet, im gleichen Jahr wurde der vorrangig aus militärischen Gründen angelegten Mirow-Lärz~Kanals der Müritz-Havel-Wasserstraße als Ersatz für den stillgelegten Bolter Kanal in Betrieb genommen. Der neue Kanal umging das Flugplatzgelände bei Rechlin.

1956 erfolgte die endgültige Schließung des bereits vor dem 2. Weltkrieg mit Anlage des Lärzer Kanals gesperrten Bolter Kanals und das Zuschütten der Bolter Schleuse. Die Wasserführung wird seitdem nur durch einen überfluter reguliert.

Von Jürgen Kniesz 17192 Waren (Müritz)

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